Gemüse des Monats
Früher bauten frau und man sie nur wegen ihrer Blätter an, heutzutage schmeißen sie das Grünzeug auf den Kompost und essen nur das Speicherorgan. Oder sie werfen beides in борщ. Das Wort ist männlich und unbelebt, lehrt unsere Russischlehrerin, kann also im Akkusativ ohne weitere Endung so stehen bleiben. Wir müssen nur die Zischlaute immer wieder üben, wenn wir uns im Bereich des Borschtsch-Gürtel verständlich machen wollen, also zwischen Weichsel und Don. Von Polen über die historische Landschaft Galizien – von der die Schreiberin träumt, seit sie solche Bilder (siehe Anhang, das eine Gemälde von Mykola Pymonenko, das mit den beiden Mädchen zeigt eine Weihnachtsweissagung; auf dem anderen, steht ein Teller rote Suppe) sah – Rumänien, die Ukraine bis Russland wird nämlich Borschtsch gegessen. Auch im „Borscht Belt“, in den 1940er- bis 1960er Jahren von jüdischen Emigranten aus Osteuropa angelegten Feriensiedlungen im US-Bundesstaat New York. In jener Gegend fand übrigens 1969 das Woodstock-Festival statt, aber wir müssen irgendwie den Bogen wieder zur Roten Bete finden.
Das ist gar nicht so einfach, denn der Name dieser Suppe, die traditionell mit Beta vulgaris und Brassica oleracea, bereitet wird, Beetenbartsch hieß sie in der ostpeußischen, barszcz heißt sie in der polnischen, borș in der rumänischen Küche, kommt höchstwahrscheinlich vom slawischen Namen des Bärenklau. Heute hält man alle seine Pflanzenteile für giftig, im Mittelalter waren seine Sprossen und junge Blätter ein fester Bestandteil der Suppe.
Für den ostpreußischen Beetenbartsch, eine Spezialität meiner weiblichen Vorfahren, säubert ihr vier Beten – wir hatten bei KEBAP übrigens in diesem Jahr exquisite gelbe und geringelte Beten in den Beten, die waren auch echt lecker – , schält sie aber nicht (die rohen Roten Beten schält ihr lieber nur, wenn ihr an den Saft wollt, davon später, im vegetarischen Teil), dämpft sie gar, schält und reibt sie dann und mischt sie mit zwei Esslöffeln Essig und einer Prise Zucker. Ihr Fleischesser*innen bedeckt ein Kilo Rindfleisch von Hof Eggers oder vom Katti mit Wasser und lasst es eine Stunde leise kochen, gebt dann ein Bund Suppengemüse, zwei Zwiebeln (ich werfe die am Stück und ungeschält rein) und ein Lorbeerblatt dazu und salzt. Wenn alles gar, Brühe durchgießen. 2 EL Mehl verrührt ihr mit etwas Sahne und bindet die Brühe damit, wüzt sie mit Zucker, Salz und Majoran, gebt die Beten und das gewürfelte Fleisch hinein, reicht Salzkartoffeln und sauren Schmand dazu.
Und jetzt kommt die Variante von Magda aus Prabuty (hieß auf ostpreußisch anders, meine Mutter, Beetenbartsch-Liebhaberin, ist dort geboren). Magda schwärmt die ganze lange hochsommerliche Autofahrt durch pilzreiche polnische Wälder über vom Weihnachtsmenü. Und dazu gehört unbedingt „Klare traditionelle Weihnachts-Rote-Bete-Suppe mit Pilz-Teigtaschen“. Glücklicherweise kommt die Ackerpost ja nicht per Post und in der Weihnachtszeit darf´s ja auch mal etwas üppiger sein, oder? Also los: Ihr schält für eine mittelgroße Gästeschar 11/2 Kilo Rote Bete, spült sie ab und schneidet sie in Scheiben, gießt sie in einem Steintopf oder Glas mit gekochtem, lauwarmem Wasser auf, gebt eine Scheibe Roggenbrot mit Rinde hinzu, deckt mit Gaze (Mulltuch) ab und lasst das Ganze für einige Tage bei Zimmertemperatur stehen, seiht dann durch die Gaze ab, gießt die Rübensäure in eine Flasche und verschließt sie, bewahrt sie kühl auf. Für das oben genannte vegetarische Gericht mit dem langen Namen schabt ihr 250 g Suppengrün und spült es ab, gießt es mit einem Pfund geschnittener Roter Bete zusammen mit 11/2 l kaltem, gesalzenem Wasser auf, gebt einen Löffel Butter hinein und kocht alles weich, seiht ab, gebt dem Kochsud mindestens eine in Salz geriebene Knoblauchzehe, ¼ – ½ l eurer hausgemachten Rübensäure, Pilzbrühe (ihr hattet vorher für die Pilz-Teigtaschen – Rezept bitte unter Piroggen aus dem Internetz fischen – 40 g getrocknete Pilze über Nacht in kaltem Wasser eingeweicht und dann weichgekocht, davon ist noch ein wenig Brühe übrig…), Zucker und Pfeffer zu, gebt vor dem Servieren einen Teelöffel Butter in die heiße Suppe und bestreut sie mit fein gehackter Petersilie. Magda und ich sind uns voll einig: der Aufwand lohnt unbedingt.
Doch noch ein Nachklapp: Es sind Uszka, keine Piroggen. Uszka heißt „Öhrchen“ und geht so: Ihr schnibbelt die oben erwähnten Pilze winzigklein oder dreht sie durch den Wolf, schnibbelt eine Zwiebel sehr fein und bräunt sie in Öl, gebt sie samt einem Esslöffel Semmelbrösel, einem Teelöffel gehackter Petersilie, Salz und Pfeffer zu den Pilzen (im getrockneten Zustand waren es 40g Pilze). Dann siebt ihr 100 g Mehl durch und mischt es auf einem Küchenbrett mit einem Ei, Salz und 1/8 l lauwarmem Wasser, teilt den Teig in zwei Teile, deckt die eine Hälfte zu, damit sie nicht austrocknet, teilt den dünn ausgerollten Teig in Quadrate von 3 – 4 cm, gebt auf jedes Teilchen Füllung und drückt es diagonal zusammen, drückt zwei Hörnchen so zusammen, dass Öhrchen entstehen (siehe Foto, Hinweis: Klarer roter Barszcz mit Uszka, Von http://en.wikipedia.org/wiki/User:Vegalabs), legt diese in eine größere Menge kochendes, gesalzenes Wasser, nehmt sie mit einem Schaumlöffel heraus, wenn sie an die Oberfläche kommen. Damit die Uszka nicht zusammenkleben, könnt ihr sie in heißes Wasser oder gleich in die Suppe kippen, oder Butter hinzufügen.
Was will eine/r noch? Infos zum Speicherorgan? Botanisch betrachtet besteht eine aus einer Verdickung von Hauptwurzel und Spross. Und der Spross, je nach Ausprägung auch Halm, Stängel oder Stamm genannt, trägt die Blätter und verbindet sie mit der Wurzel. Ohne dieses stützende Transportorgan ginge gar nichts. Ohne Euch auch nicht Schöne Weihnachten wünscht allen SoLawistas eure Geemüüseefee!