Neues vom Acker KW 31

Liebe SoLawistas,

Hauptwachstumszeit und dennoch ist euer Körbchen nicht voll, wenn ihr aus dem Depot kommt – vielleicht seid ihr sogar unter den vielen, die ihre Ernteanteile halbiert haben, aus der Erfahrung dass es im Sommer meist kaum zu bewältigen war. Eure Erwartungen, die ihr uns zum Teil mitteilt, decken sich da mit unseren: Kiloweise Tomaten, jede Woche Gurken für alle, zudem noch ordentlich Fenchel, Kohlrabi, Stangensellerie, Spinat, Bohnen.

Daneben erreichen uns immer wieder Fragen zur Ankündigung der wöchentlichen Ernte und der Verteilung. Darauf gehe ich heute mal ausführlich ein. Wer‘s kurz will, liest die Kurzversion, wer mehr wissen will, liest den ausführlichen Teil.

  1. Warum kommunizieren wir jetzt immer was es alles gibt, aber nicht für alle reicht – anstelle „Überraschungsgemüse“?

Wir fanden es transparenter. Rückmeldungen aus der Mitgliederschaft ließen vermuten, der Begriff „Überraschungsgemüse“ sei missverständlich, erzeuge Erwartungen, Enttäuschung, Unmut. Das scheint mit der volltransparenten Auflistung aller Gemüsesorten, welche nicht für alle reichen, auch so zu sein. Ideen eurerseits? Ein paar mehr Worte dazu lest ihr unten im 1. Abschnitt.

  1. Wie verteilen wir eigentlich das Gemüse an euch?

Was für alle reicht, wird insgesamt gezählt oder gewogen und dann auf alle Depots verteilt. Was nicht für alle reicht wird so verteilt, dass sich sinnvolle Portionsgrößen ergeben. Damit alle mal jedes Gemüse bekommen, pflegen wir eine Übersichtstabelle. Beim Salat streben wir im Durchschnitt an, dass die großen EA jede Woche, die einfachen EA jede zweite Woche einen bekommen. Warum das nicht immer klappt und noch mehr Details erfahrt ihr in der ausführlichen Antwort im 2. Abschnitt.

  1. Warum überhäufen wir euch derzeit nicht mit einem Bomben-Ertrag – obwohl der Schnecken-Schrecken des vergangenen Jahres uns nicht wieder heimgesucht hat?

Wir haben viele Kulturen von der Gärtnerei auf den Acker verlegt, um den Gärtnerei-Flächen eine nötige Ruhe zu gönnen. Auf dem Acker herrschen schwierigere Wachstumsbedingungen als in der Gärtnerei. Diese versuchen wir durch ein Anbausystem abzumildern, das für uns neu und noch nicht etabliert ist. Die Kombination hat einiges versemmelt, was jetzt fehlt. Wer mehr über die Notwendigkeit von Gründüngung und den Unterschied zwischen Gärtnerei-Flächen und Acker wissen will, liest unten weiter im 3. Abschnitt.

1Ich fange mal an mit dem Thema Kommunikation:

Mein Eindruck war, dass der Begriff „Überraschungsgemüse“ suggeriert, es gäbe ein ganz besonderes Schmankerl und nicht „bloß“ Stangensellerie, beispielsweise. Was wir immer mit dem Begriff gemeint haben: Wir ernten jede Woche auch Gemüse, das nicht für alle Depots reicht. Um keine Erwartungen zu wecken, haben wir das lange unter „Überraschungsgemüse“ zusammengefasst. Ich fand es jedoch transparenter, euch zu nennen, was noch dazu kommen kann. Deswegen haben wir die Kommunikation dahingehend geändert, dass wir euch alle Sorten, die wir ernten nennen, und dazu sagen, wenn es voraussichtlich nicht für alle reicht.

Nun haben wir aber festgestellt, dass sich wiederum Menschen ungerecht behandelt fühlen, womöglich weil man Woche um Woche liest, was es geben könnte, aber nicht im eigenen Depot.

Falls wir an der Kommunikation etwas verbessern können, lasst gerne Ideen und Vorschläge springen.

Liegt es weniger an unserer Ankündigung der Ernte, sondern entsteht vielleicht ein latentes Gefühl, ungerecht behandelt zu werden, weil nicht klar ist, wie wir dafür sorgen, dass alle mal jedes Gemüse bekommen? Da gehe ich im nächsten Abschnitt drauf ein.

2Die Gemüseverteilung läuft folgendermaßen:

Bei einigen Kulturen wissen wir von vornherein, dass sie für alle reichen und ernten so viel, wie wir erfahrungsgemäß für eine okaye Portion pro einfachem Ernteanteil brauchen.

Das sind bei Möhren meist so 400 g – 600 kg, bei der Roten Bete 300 g – 400 g, bei Kräutern 15 g -30 g. Dann gibt es Kulturen, deren Produktivität einer (in der Reihenfolge abnehmend) steilen Glockenkurve gleicht: Gurken, Zucchini, Paprika, Tomaten. Da gibt‘s am Anfang mal nur 1 Stck., bzw. eine Handvoll, dann kiloweise und dann nimmt‘s wieder ab. Dann wiederum gibt es Kulturen wie Buschbohnen, die extrem arbeitsintensiv bei der Ernte sind, von denen wir daher absichtlich nur so viel auf einmal anbauen, wie wir zeitlich bei der Ernte bewältigen können. Dafür gibt es mehrere zeitlich aufeinanderfolgende Sätze, damit alle mal Bohnen bekommen.

Wir karren also das Gemüse zu Waage und Computer und das Aufteilen geht los.

Bei der Wiege-Ware geht das bspw. so:

(115 Kg Rote Bete – 5 % [=Puffer für Wägefehler]) / 140,5 [Gesamtzahl Ernteanteile – in großen EA gerechnet] ergibt 770 g pro großen EA, multipliziert mit der Anzahl der EA jedes Depots ergibt es die Menge für das jeweilige Depot. Auf den Depotaushang schreiben wir dann nicht 770 g sondern ziehen 10 % ab, also 350 g pro einfachem, und 700 g pro großem EA, um Wägeungenauigkeiten in den Depots abzupuffern.

Haben wir Gemüse, das nicht für alle reicht, bspw. 11,8 Kg Buschbohnen, teilen wir dies durch eine unseres Erachtens sinnvoller Portion (750 g pro großem EA, inkl. Wägepuffer), und sehen, dass es für 15,6 große Ernteanteile reicht. Dann wird geschaut, welchem Depot man das Gemüse geben kann.

Bei der Zähl-Ware, deren Erntemenge nicht wir (wie bei Fenchel, Spitzkohl, …) sondern das Gemüse bestimmt (wie bei Gurken, Zucchini, Auberginen), versuchen wir trotzdem mindestens 1 Stck. für den einfachen und 2 Stck. für den großen Ernteanteil zu verteilen. Dabei kommt es speziell in den flachen Bereichen der Glockenkurve (ihr erinnert euch), dazu, dass nicht jedes Depot jede Woche was kriegt. Manchmal bleiben auch bspw. Gurken übrig, die sich – weil zu wenige – nicht nach dem Schema verteilen lassen. Dann geben wir mit schmerzverzerrtem Gesicht nur den großen Ernteanteilen eines Depots ne Gurke.

Bei Zucchini wiederum haben wir währnd des Peaks der Glockenkurve das Luxusproblem, dass es einerseits sehr viele sind, und andererseits ungleich groß. Hier gehen wir wie folgt vor: Erst werden die großen Früchte nach dem Schema 1 Stck. pro einf. EA und 2 Stck. pro gr. EA verteilt. Zum Schluss sind nur noch Kleine übrig, dafür sehr viele, die dann in umgekehrter Reihenfolge der Depots so verteilt werden, dass es 2 Stck. pro einf. EA und 4 Stck. pro gr. EA oder sogar 3 Stck. pro einf. EA und 6 Stck. pro gr. EA gibt. Also haben einige Depots große, dafür wenige, andere kleine, dafür viele Früchte.

Und so schaut das Ganze dann aus – unsere wöchentliche „Kommissionierliste“:

Der Salat nimmt eine Sonderstellung ein. Wir streben an, dass die einfachen EA jede zweite Woche, die großen EA jede Woche Salat bekommen. Das einzuhalten wird uns durch drei Bedingungen erschwert: Den Salat gibt es, wie alles was wir von unserem Jungpflanzenlieferanten beziehen (Salat selbst voranziehen ist im Sommer schwierig, da er niedrige Keimtemperaturen braucht) Kistenweise – 173 Jungpflanzen pro Kiste. Wir können also x*173 Jungpflanzen bestellen (Erste Randbedingung) und haben uns für das Schema entschieden, abwechselnd zwei und drei Kisten zu ordern.

Theoretisch (siehe Tabelle oben) würden wir dann also von einem in Woche „1“ und „3“ gepflanzten Salat ab Woche „8“ insgesamt 5 Wochen lang abwechselnd für die großen (derzeit 44) und die großen + die einfachen EA (derzeit 236) ernten können, bei einer Erntequote von 88% würde man in der 6ten Woche noch 160 verteilen können. So ganz geht es also nicht auf. Die zweite Randbedingung ist, dass wir nur alle zwei Wochen von unserem Jungpflanzenproduzenten beliefert werden. Was eine Feinabstimmung auf die dritte Randbedingung schwierig macht: Der Salat wächst im Frühjahr langsam, dann Richtung Sommer schneller, dann mit abnehmender Tageslänge wieder langsamer. Die Sätze kann man also schön gestaffelt planen, tatsächlich schiebt sich die Ernte aber Richtung Mitte Juni zusammen und zieht sich dann wieder zeitlich auseinander.

Ihr habt‘s schon gemerkt, wir mögen Tabellen. Also: hier die Theorie:

Jetzt fragt ihr euch sicherlich, wie wir den Überblick behalten, wer wann was bekommen hat. Dazu haben wir – wie könnte es anders sein – eine Tabelle. Hier wird jede Woche eingetragen, wer welches Gemüse bekommen hat, das nicht für alle reichte, und die großartige „Zählen-Wenn-Funktion“ spuckt uns eine ständig aktuelle Übersicht aus:

Wie auch bei der Kommunikation sind wir auch bei der Verteilung des Gemüses offen für eure Vorschläge, Ideen, Mitarbeit. Gestaltet mit, was euch nicht gefällt anstatt mit den Füßen abzustimmen.

3Ertrag im Jahr 2022 (bisher)

Anfang August, Hauptwachstumszeit – und die Fülle ist nicht vorhanden – jedenfalls nicht so wie wir alle uns das vorstellen. Warum?

Ich versuche mich mal daran, Erklärungen zu bieten. Aber es gibt sicherlich noch weitere Einflussfaktoren, die ich vergesse, nicht kenne, mir nicht bewusst sind.

Die eine Erklärung betrifft die Verlegung von Kulturen von der Gärtnerei auf den Acker. Die andere betrifft das eingrooven in das für uns neue Anbausystem mit Dämmen.

Wir haben im Winter vergangenen Jahres bei Tee und Tabellen im Zuge unserer Anbauplanung die Entscheidung getroffen, auch auf unseren wunderbar lehmig-sandigen, fluffig-humosen, jahrzehntelang mit Mist versorgten und von windfangenden Hecken umstandenen Freilandflächen in der Gärtnerei mal Gründüngung auszusäen. Warum? Gemüseanbau ist Humus-zehrend. Es bleiben wenig Erntereste, man bearbeitet den Boden stark und häufig, regt also die mikrobielle Tätigkeit an, die in Ermangelung von Stroh etc. anfängt, den Humus aufzuknuspern. Humus ist aber DAS Kapital des Biolandwirtes. Er sorgt für eine gute Bodenstruktur, diese wiederum für die Fähigkeit des Bodens Wasser zu halten und zur Verfügung zu stellen, Luft für Wurzeln und krabbelndes, kriechendes und mikrobielles Bodenleben hineinzulassen, die wiederum als komplexes Nahrungsnetz die Nährstoffe ausspucken, die dann die Pflanzen aufnehmen, bzw. die sofern nicht gleich gebraucht, auch am Humus zwischengespeichert werden.

Wir müssen dem Boden also Ruhe gönnen und ihm eine große Diversität an Pflanzen und deren unterschiedlich tief und fein ausgebildeten lebenden Wurzeln bieten, damit das Bodenleben sich daran laben kann und nicht den bestehenden Humus ab- sondern neuen aufbaut.

Wir haben nach der Erstbelegung also auf allen Gärtnerei-Flächen eine Gründüngung ausgesät. Was die eigentlich folgende Zweitbelegung auf den Acker verbannt.

Nun, Verbannung ist vielleicht ein starker Begriff – aber schon nah dran. Denn was passierte mit der auf den Acker umgezogenen Zweitbelegung? Namentlich 2 Sätze Kohlrabi, 1*Fenchel, 2*Spinat konnten wir nicht oder praktisch nicht ernten. Klein geblieben, verholzt, sofort in Blüte geschossen. Die Buschbohnen und Dicken Bohnen tragen längst nicht so viel, wie wir es von ihnen gewohnt sind. Der Mais ist nicht so gut aufgelaufen, wie erhofft und gewohnt. Was hat den Pflanzen auf dem Acker nicht gefallen?

Der schwere, tonige Boden erschwert die Wurzelatmung und die Tätigkeit des tierischen und mikrobiellen Bodenlebens, was wiederum die Nährstoffverfügbarkeit einschränkt. Im tonigen Boden wird viel Wasser in sehr kleinen Poren, also kapillar sehr fest gebunden, gehalten – und steht den Pflanzen nicht zur Verfügung. Es gibt nur wenig mittelgroßes Porenvolumen, dem die Pflanzen das Wasser entnehmen können. Ist das aufgefüllt, ist wiederum schnell keine Luft mehr im Boden. Der Boden – wie er ist – ist also nicht ganz einfach für unser Gemüse. Was tun? Humus anreichern. Daran arbeiten wir, indem wir selbst angebautes Klee-Gras als Mulch ausbringen und Klee als Untersaat säen wo immer es geht. Eine Humusanreicherung um 1 % kann man in ca. 5 Jahren erreichen. Wir starteten bei ca 0,5%. Ideal wären ca. 4%. Wir sprechen hier also von einem Ziel, das man in etwa zwei Jahrzehnten erreichen kann. Den Acker haben wir 2018 das erste mal mit Klee-Gras eingesät und nun 2022 in der zweiten Saison unter Gemüse. Wir können also hoffen, dass uns der Faktor Humus von Jahr zu Jahr mehr in die Hände spielt. Aber der Bodenaufbau ist ein Langfristprojekt.

Die andere Erklärung betrifft unseren Umgang mit den schweren Bedingungen durch den schweren Boden. Wir haben uns nach eingehender Beratung durch erfahrene Gärtnerkollegen von anderen Höfen dafür entschieden, ab diesem Jahr ein Dammkultur-System zu fahren. In den Dämmen schafft man verhältnismäßig günstige Bodenverhältnisse, indem man im Idealfall Krümel aufhäuft, die eine vorteilhafte Porung aufweisen, dadurch eine verbesserte Wasser-, Luft-, Nährstoff-Versorgung haben. Die Geräte hierfür, die wir vor Saisonbeginn zusammengekauft haben, sind Federzinkenegge, Grubber, Dammhäufler, Hacke. Unsere Lernkurve für deren Einsatz war seit Saisonbeginn recht steil. War der Boden zu feucht, zu trocken oder konnte er nicht rechtzeitig genug bearbeitet werden, waren die Dämme nicht feinkrümelig, sondern klutig – man hat die Pflänzchen nicht in warmes, feuchtes Erdreich gepflanzt, sondern mit Ton-Klötzen eingemauert. Da soll mal einer wachsen. Ich gehe davon aus, dass wir hier besser werden. Wir sind es schon, wenn ich mir die Ergebnisse unserer aktuellen Bodenbearbeitung ansehe.

So, zuletzt möchte ich euch eine kleine Auswertung des Ertrags der drei „Sattmacher“ unter den Sommerkulturen zeigen – um zum einen zu illustrieren, wie groß die Variationsbreite zwischen den Jahren ist, und zum anderen zu zeigen, wie wenig oder viel wir im Vergleich zu den letzten beiden Jahren haben. Ich überlasse euch die Interpretation der Zahlen. Mir hat es jedenfalls meinen Eindruck etwas zurechtgerückt, die Paprika seien spät, die Tomaten trügen nicht, und die Zucchini kämen auch nicht aus dem Quark.

Ich hoffe, mit den Erläuterungen zum Ertrag, aber auch den Gedanken zur Kommunikation und der Darstellung der Gemüse-Aufteilung mehr Transparenz geschaffen zu haben und etwaigem Unmut zu begegnen oder im besten Fall eure Mitgestaltung anzuregen.
Schöne Grüße im Namen des GärtnerInnen-Teams von
Inga

2 Kommentare zu „Neues vom Acker KW 31“

  1. Wow Inge, vielen Dank für deine Mühe einen so ausführlichen Text zu schreiben!
    Versetzt uns nicht nur in die Lage, Zusammenhänge zu verstehen, sondern gibt uns auch eine Vorstellung davon, was ihr so alles zu wuppen habt an Orga neben den Tätigkeiten auf dem Acker/Gärtnerei.
    Wie ist das zu schaffen!?!
    Lieben Gruß, Charlotte

    1. Liebe Inga, liebe alle!
      Ich schließe mich Charlottes Kommentar voll und ganz an! Herzlichen Dank für die Transparenz, die wirklich sehr deutlich macht, was zu einem Gemüseanbau alles dazugehört. Und herzlichen Dank für deine Zeit, die du in diesen Bericht investiert hast!!
      Wir sollten uns diese 1. August-Ackerpost rot anstreichen, um sie potentiell nachfolgenden fragenden Solawistas zum Lesen zu empfehlen.
      Ich frage mich, ob es andere „freundlichere“/geeignetere Ackerflächen in der Nähe gibt, aufgegebene Gärtnereibetriebe oder so… Vielleicht sollten wir mal kollektiv im Universum eine Bestellung aufgeben!
      Herzliche Grüße, Birte

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