vergangene Woche habe ich an einem Web-Seminar des Netzwerks Solidarische Landwirtschaft teilgenommen (lohnt sich mal dort zu stöbern: https://www.solidarische-landwirtschaft.org/aktuelles/termine/fit-fuer-solawi/ . Übrigens auch für euch zum Vorzugspreis zu haben, da unsere SoLawi dort Mitglied ist).
Es ging um die Herausforderungen, die ein SoLawi-Betrieb zu meistern hat, im Spannungsfeld ideeller Anspruch – wirtschaftliche Stabilität – soziale Stabilität. Also bspw.: „Wir wollen unsere GärterInnen toll bezahlen, wollen den Boden optimal behandeln, wollen eine tolle Gemeinschaft haben bei der jede/r mitmachen kann, wollen dass der Anteil nicht zu teuer wird, und müssen teure Güter am Markt kaufen und bezahlen“
Wir benannten die Bereiche, die uns aktuell am meisten beschäftigen. Und tatsächlich sahen die TeilnehmerInnen aus den ca. 20 verschiedenen SoLawis ganz ähnliche Herausforderungen:
Ein Thema war die hohe Fluktuation, mit der alle zu kämpfen hatten. Eine SoLawi musste von 90 auf 70 Mitglieder runter gehen, hat jedes Jahr aufs Neue dasselbe Problem, aber seit 2 Jahren Schwierigkeiten, die Austritte zu kompensieren. Als Austrittsgründe wurden u.a. genannt: Probleme im Anbau (wegen nassem Wetter) und dass die Menschen keine Zeit mehr zu Kochen haben. Außerdem wurde ein schlechtes Gewissen angegeben, weil Mitglieder es nicht schaffen, zusätzlich zu ihren Alltagsbelastungen, den Aufrufen zur Beteiligung nachzukommen. Dann gingen sie lieber. Demgegenüber stünde dann, dass die Wenigen, die sich engagieren, viel der Last trügen.
Auch genannt wurde die geringe Identifikation mit der SoLawi. Ein Teilnehmer sagte, dass er viel anbietet (Rezeptideen…), was für ihn unter Dienstleistung fällt. Und vermutet, dass das sogar kontraproduktiv für die Identifikation sei. Eine andere Person nimmt wahr, dass der Wunsch, Teil einer Gemeinschaft zu sein, insgesamt eher zurückgegangen sei. Die vielen Kündigungen führte sie auch auf die allgemeine Überlastung zurück, die Menschen hätten den Wunsch nach weniger Anforderungen (Aufrufe zur Mitarbeit) und überhaupt Komplexität zu reduzieren und da passt SoLawi nicht gut rein: Wenn man nicht an 6 Tagen die Woche Gemüse holen kann, sondern nur an einem Tag für 2 h.
Außerdem wurde gesagt, dass Konzepte, die auf Solidarität und Teilen basieren, ungewohnt sind, schwer erklärbar und auch schwer mit dem sonstigen Konsumverhalten vereinbar seien. Auch wurde gesagt, dass Mitglieder Beiträge zu teuer fänden, aber gleichzeitig nicht auf das Angebot eingingen, weniger zu zahlen.
Das kam mir alles nur allzu bekannt vor.
Es wurden aber auch Lösungsstrategien genannt:
- Auf Mitgliederwünsche eingehen – Möhren waschen; Flexibilisierung der Anteile; …?
- Bindung und Identifikation stärken: Empfangsgespräche mit jede/r Einzelnen, um die Grundlagen zu erklären; Gut organisierte Mitgärtneraktionen; Nicht müde werden, über Solidarität und den transformativen Ansatz zu sprechen.
- Sich weniger mit Tauschlogik beschäftigen (wie viel zahlt man, wie viel Gemüse bekommt man?), sondern mehr darüber sprechen, warum es so wichtig ist, Teil der Veränderung zu sein, und was SoLawi dazu beiträgt.
Viele Fragen wurden andiskutiert:
- Was ist, wenn ich immer wieder Aufrufe bekomme, denen ich nicht folgen kann – und dann austrete, weil ich ein schlechtes gewissen habe, nicht beitragen zu können? Der 40 h Job ist die Lebensrealität vieler, man unterliegt Zwängen, denen man sich nicht entziehen kann. Wie kann man seine Ansprüche da der Realität anpassen?
- Wann ist man in einer SoLawi nicht richtig? Was verlangt die Mitgliedschaft in einer SoLawi? Wie kann eine SoLawi sich an den Mitglieder-Bedürfnissen orientieren ohne eine Dienstleisterin zu werden?
- Welche Aufgaben sind systemrelevant und wie können wir die bezahlen? Wie können wir sinnstiftende Jobs schaffen?
- Was passiert mit dem schlechten Gewissen, wenn ich Gemüse nicht verbrauche?
- Was sind die Gelegenheiten, wo wir uns verbinden? Wo erlebt man den SoLawi Spirit? Mehr Feste? Wer organisiert die? Macht man Mitarbeit verpflichtend?
Für mich war es auf eine Weise beruhigend zu merken, dass wir mit unseren Problemen nicht allein sind, dass auch andere nach Lösungen suchen.
Mich interessiert, was euch für Gedanken dazu kommen.
Wo geht es euch ähnlich? Was seht ihr für Herausforderungen? Was habt ihr für Lösungsideen?
Lieben Gruß
Inga
p.S.: was machen wir diese Woche?
- Wir planen die Kulturen weiter auf die Flächen. Außerdem: Vor jede Kultur, vor die es zeitlich passt, soll eine Gründüngung. Für den Boden. Damit man während der Saison, wenn zu wenig Zeit für zu viel Arbeit die Regel ist, nicht noch nachdenken muss, muss der Plan dann stehen.
- Wir bekommen TRONC Mittel! Juhu! Das sind Abgaben aus Glücksspiel, die gemeinnützigen Vereinen zugute kommen sollen. Wofür wir es ausgeben dürfen: Pflastern :). Also, wir bekommen die Mittel, um für die SoLawi einen Ort auf den Sannmann-Acker zu schaffen, an dem wir als Gemeinschaft zusammen kommen können, für Bildungsangebote, für Feiern, zum Ausruhen nach dem Mitgärtnern und natürlich für uns GärtnerInnen zum arbeiten. Dafür ist noch jede Menge Papierkram zu machen.
- Wir beschäftigen uns mit Finanzen, Liquidität, Budgetlücke, Einnahmemöglichkeiten
- Tunnel-Reparatur angehen. Beim Verlegen der Wasser- und Stromleitung scheint der Bagger gegen einen Bogen gestoßen zu sein…
- Waschtisch schweißen – ein Baustein unseres Arbeitsplatzes bei Sannmann
- Saatgut aufbereiten – unser selbst genommenes Tomatensaatgut soll dem Produzenten der Jungpflanzen keine zusätzliche Arbeit machen.
- Asia-Salat und seeeehr frühe Möhren säen
- Klima-Demo!
Liebe Inga,
großartig – danke für alles, dass Du dort warst und uns weitergibst, dass die Themen alle betreffen.
Dran bleiben am Transformationsprozess, den wir uns alle wünschen – das ist die wichtigste Botschaft für mich!
Die frisch gedruckten Flyer können nächste Woche aus den Depots von jedem Solawista in wertschätzende Hände weiterverteilt werden.
Die Demo werden wir natürlich unterstützen und wenn jeder ETWAS tut, braucht niemand ein schlechtes Gewissen zu haben!
Wir sind nur zuammen stark – also ran!